Convento S. Agostino e S. Rita

P. Christoph Weberbauer OSA

Viale S Rita 2

06043  CASCIA / PG

 

Tel.: 0151 52271362   – mail: christoph@augustiner.de  

 

 

                                                                                                 Cascia, den 7.8.2014                                                                                                   

Liebe augustinisch-unterwegs.de Freundinnen und Freunde!

Noch vor dem nächsten Kurs „Canta e Cammina“ noch einmal ein „Lagebericht“ von mir, vielleicht das letzte Mal aus Cascia. Denn, so habe ich ja schon informiert, Ende September werde ich nach San Gimignano umziehen. Dann war ich genau ein Jahr in Umbrien. Mein Gott, wie die Zeit vergeht!

Zunächst will ich mit Euch meine Freude teilen, die ich vor ein paar Tagen einmal wieder ganz tief und dankbar durch meinem Freund Fra. Mario erlebt habe. Da ist mir das Geheimnis dieses Geschenkes noch deutlicher aufgegangen. Auch von Euch haben mich ja schon einige darauf hingewiesen, dass Nouwen Exerzitien zusammen mit einem Behinderten gehalten hat. Daran musste ich denken: Ich erzählte ihm die Legende vom hl. Christophorus, die er noch nicht kannte, und sie deshalb sehr aufmerksam und strahlend verfolgte. Er war sehr begeistert davon und gab dann – wie es oft seine Art ist – wirklich tief spirituelle Kommentare: der Fluss ist unser Leben, vor dem Satan müssen wir wachsam bleiben und nicht oberflächlich werden, Jesus ist immer dabei als der Stärkere…, sodass ich ihn fragte, ob er nicht mit mir zusammen einmal Exerzitien halten möchte und dachte dabei besonders an die Erfahrungen mit ihm im Mai diesen Jahres. Und zum ersten Mal bejahte er dies tatsächlich. Wenn ich dabei wäre, dann ginge das ja sicher,meinte er. Und ich spürte in diesem Moment, wie kostbar einfach nur seine bejahende Gegenwart für mich ist. Er freut sich mit mir, er lobt mich so, dass ich es von ihm erstaunlich gut hören kann, auch wenn er manchmal maßlos übertreibt, er preist Gott und vermittelt mir das, wonach wir uns alle sehnen:„du bist gut, weil Gott dich so gemacht hat, wie du bist“… Ja, ihn werde ich sicher in San Gimignano vermissen. Leider wird auch Ludovico den Konvent wechseln, der zusammen mit mir am meisten für Mario sorgt und gesorgt hat.

Dann will ich einfach nur kurz erzählen, dass ich mal wieder für ein paar Wochen „unterwegs“ war und auch da wieder mit viel Freude vieles erlebt habe.

Zunächst waren mal wieder liebe Freunde aus Deutschland da, mit denen ich nach Castelluccio gefahren bin. Viele hatten von dieser Blütenpracht erzählt, die sich in diesem Jahr um Wochen verspätet einstellte. Die Fotos sollen selbst sprechen:

 

Die beiden nahmen mich dann mit nach Gubbio, (Ihr kennt die Geschichte über Franziskus vom „Wolf von Gubbio“) wo ich gerne 10 Tage blieb, weil mich die Kirche dort mit den Augustinusfresken sehr anspricht, die Pfarrei sehr lebendig zu sein scheint und der kleine Konvent der Augustiner mich schnell sehr brüderlich aufgenommen und eingebunden hat. Mit ihnen saß ich am Fernseher während der Fußball WM. Gerne dachte ich an Erlebnisse dort in früheren Jahren, die ja mit vielen von Euch verbunden sind, und vielleicht sind da auch Ideen für die kommende Zeit gereift.

Noch tiefer beeindruckt hat mich dann der Aufenthalt in Tolentino, in der Marke, wohin ich einmal wieder mit dem Zug durch die wunderschöne Landschaft gefahren bin. In der wunderschönen großen Basilika wird der hl. Nikolaus verehrt, der einer der hilfreichen Freunde für die hl. Rita war. Auch dort gibt es in dem großen altehrwürdigen Kloster mit dem schönen Kreuzgang ein paar alte und kranke, aber noch mehr junge, sehr aktive und dynamische Mitbrüder, die die Strahlkraft des großen Heiligen für heute unterstützen und fördern. Noch nie habe ich regelmäßig, werk- und sonntags so viele Männer in der Kirche erlebt, wie dort. Oft saß ich im Beichtstuhl und war tief beeindruckt von dem, was ich da an Dankbarkeit über die Katechese der Augustiner hören durfte. Geschenkt wurde mir– so nebenbei – eine schöne Freundschaft mit einem jungen Inder, mit dem ich dann – endlich einmal, zum ersten Mal in Italien – einen ganzen Tag lang am Meer war. Wunderschön, der einzige Tag, der nur Sonne strahlte, und ich stundenlang in meinem Element, dem Wasser, schwimmen konnte.

Foto vom Kreuzgang in Tolentino :

Seit Tagen bin ich nun wieder zurück in Cascia. Die Nachricht vom Tod von P. Roger hat mich hier erreicht, die mich nachdenklich und traurig stimmt. Er ist bereits der vierte verstorbene deutsche Mitbruder, seitdem ich in Italien bin. Zwei Jahre war er jünger als ich, hat meist journalistisch gearbeitet und hat am Schluss in München gelebt. An Pfingsten hatte ich ihn noch einmal getroffen.

Damit sollte mein Brief nicht enden. Deshalb noch eine überaus frohe Nachricht, ein Erlebnis von gestern, das mich kopfschüttelnd und dankbar staunend und wundernd, Gott lobpreisen lässt, einmal wieder(!)„unglaublich“! Urteilt selbst!

Über den Tagesausflug mit Michael Lexa von Pavia aus, im vergangenen Februar, habe ich in einem Brief - damals noch eher ein wenig schmunzelnd - erzählt (die Tür zur Kirche des hl. Michael, die nur italienisch verstand, öffnete sich, und wir standen beim Erzählen von St. Bruno in Wü plötzlich vor dem Schild „S. Bruno“). Jetzt ist die Familie mit den „pubertierenden“ Kindern (einer davon ist in Wü bei Oma Grit) in Urlaub in Umbrien und kam zu Besuch nach Cascia, wo sich die Eltern, 22 Jahre früher, durch Exerzitien auf die Hochzeit vorbereiteten, bevor sie dann auch noch bei mir in Messelhausen -aus zu gleichem Anlass - waren. Meine Vorfreude war groß, wenn ich auch ein wenig Bedenken hatte, wie es denn wohl den Jugendlichen ergehen würde bei dem religiösen Angebot, das ich auch ihnen - wenigstens nicht ganz - vorenthalten wollte.Tatsächlich hätten wir uns am Vormittag bei der Besprechung des Tages fast nach Castelluccio verlocken lassen, als ich ein paar Fotos von dort zeigte. Aber der Tag hat nun mal nur 24 Stunden, auch das Fest der „Verklärung des Herrn auf dem Berg Tabor“, 6. August (Vor 2 Jahren waren wir an diesem Fest wirklich dort oben auf dem Berg!!!). Also einigten wir uns doch auf die Führung im Kloster,in dem ich gerade wohne, die Führung ins Kloster, in dem Rita vor Jahrhunderten lebte und das Erzählen dort über sie, dann das Mittagessen mit meinen Brüdern im Konvent und - nach einigem „zickigen“ (würden mir bekannte, bessere Kenner der „Jugendlandszene“ sagen) Hin und Her - auch noch auf das Gehen zu Fuß nach Roccaporena, auf dem Pfad am Fluss entlang. Schöne Fotos wurden geschossen, mit und ohne die Schönheiten der Jugend, die Natur bewundert und es wurde viel erzählt. Vor der Brücke zur Straße passierte es dann: Schnell ergibt sich ein feuriges Wortgefecht bei unterschiedlicher Interessenslage und dabei fliegt das Handy mit den Fotos und allem, was es so an persönlichen Schätzen in sich birgt, in den tiefen Graben des Flusses Corno. Tiefe an dieser Stelle geschätzte 9 bzw. 10 m, an steilem Felsen. Es fällt aber gar nicht bis nach unten, sondern bleibt ungefähr in der Mitte in dem hoch gewucherten Gestrüpp hängen, aber sichtlich bereit, leicht und schnell noch weiter in die Tiefe rutschen zu können und ganz zu verschwinden. Es wurde uns relativ schnell klar, dass es für uns keinerlei Möglichkeit gab, weder von oben noch von unten an das für Beatrice so kostbare Gerät zu gelangen. Wie enttäuscht, ärgerlich und verzweifelt sie war, wird ein klein wenig an ihrem Vorschlag deutlich, doch einen Helikopter zu beordern. Zugegeben, auch mir fiel wirklich gar nichts ein, wie wir helfen könnten. Es kamen viele Vorschläge, aber alle schienen uns unbrauchbar. Wir hatten ja nicht einmal ein Auto, um schneller an irgendeine Hilfe gelangen zu können, an welche auch immer: zurück nach Cascia oder weiter nach Roccaporena? ? Weil Roccaporena schon wesentlich näher lag, einigten wir uns schweren Herzens dorthin aufzubrechen und einfach mal zu suchen und zu fragen… Die Stimmung des Tages war wirklich „in den Bach gefallen“. Natürlich halfen in diesem Moment auch keine logischen Argumente von Mama, dass der materielle Wert ja gar nicht so hoch sei. Und innerlich fragte ich die hl. Rita, warum das denn jetzt passieren musste?? Hatte ich mir doch so sehr gewünscht und ausgemalt, dass gerade auch die Jugendlichen einen schönen Tag erleben sollten, dass ich auch ihnen ein wenig Spirituelles vermitteln wollte, auch noch in Roccaporena, meinem Lieblingsort, dort am Scoglio, im Rosengarten … und die Eltern in der Hochzeitskirche segnen wollte. Und jetzt – alles vorbei!! Nichts wird möglich sein. So von mir gedacht, noch nicht ahnend, wozu eine Heilige in „unmöglichen Anliegen“ fähig ist. „Unmöglich“ war’s für mich wirklich, ja, wie gesagt für mich! Während ich dann im Ort mit Grazia und dem jüngsten Sohn die frühere Wohnung Ritas besuchte, und die Legende vom geöffneten Dach erzählte, gingen die anderen schon weiter ins Dorf. Dort trifft Michael den einzigen Menschen, dessen Gesicht er kannte, weil er ihn am Vormittag schon einmal gesehen hatte. Sie waren mit ihrem Auto in Cascia bis ganz nach oben gefahren, um mich dort zu suchen, und wurden von ihm nach unten zum neuen Augustinerkloster geschickt. Ihm erzählten sie jetzt die verzweifelte Lage. Gut war schon mal, dass er ein Auto hatte. So begleitete er die Eltern zum Ort des Geschehens zurück, um sich selbst ein Bild zu machen. Während ich mir, mit den Jungendlichen zusammen, ein Eis gönnen sollte. Das taten wir auch und warteten sehnsuchtsvoll. Welch überraschende Nachricht: Der Sohn von diesem Francesco ist Felsenkletterer. Er allein könne es, aber er könne leicht helfen. Wir müssten allerdings noch eineinhalb Stunden warten, weil er gerade irgendwo im Felsen hängt, aber sofort zurückkommen würde. Mir fiel es da schon wie Schuppen von den Augen. So bekamen wir auch Zeit geschenkt, noch den Scoglio zu besteigen. Alle stiegen wir jetzt gerne, hoffend und betend dorthin, was vorher nur „wir Alten“ hätten tun sollen. Oben konnte ich die Predigt vorlesen, die ich am frühen Morgen bei den Schwestern im Kloster zum Fest der Verklärung gehalten hatte. Sie passte gut auch zu diesem Tabor-Berg Ritas und wurde aufmerksam wahrgenommen. Und wieder unten angekommen, wurde das Retten des Gerätes für den Meisterkletterer eher zu einem Spiel und zur Freude der Zuschauer. Die Mädchen durften bzw. mussten sich sogar dann noch von ihm, von der Brücke aus, in die Tiefe des Flusses abseilen lassen. Kopfschüttelnd stand ich und staunte und tu es immer noch. Nach diesem„Genuss“ gingen wir zu den Eltern von Luca, dem Helfer, ins Lokal seiner Eltern zum anderen „Genuss“, dem Abendessen, waren fröhlich vereint mit beiden Familien, als ob wir uns seit vielen Jahren kennen würden, aßen die köstlichen Speisen von Mutter Claudia bereitet, erzählten auch von der Einsiedlerin (manche kennen sie), die Luca oft im Auto mitnimmt und von den Augustinern in Cascia. Luca ließ uns staunen über seine Freude an der Heimat Roccaporena, seine Naturverbundenheit und die Hobbys. Lange hätten wir noch verweilen mögen, aber Mitternacht rückte näher. So gingen wir - nach dem überaus herzlichen Abschied – doch auch noch einmal vor die Hochzeitskirche Ritas, beteten voller Dankbarkeit und Freude gemeinsam und baten um den Segen für die ganze Familie und mich. Es war kalt geworden, doch die geschenkten Erfahrungen des Tages und unsere Umarmung im Kreis wärmten uns, der Mond lächelte uns zu. Vor dem Ins-Bett-fallen hörte ich noch: „Was bildest du dir nur ein? Meinst du, es gibt nur deine Möglichkeiten, zu verkünden? Ich habe andere und viel wirksamere Methoden, den Menschen meine liebende Gegenwart zu zeigen. Du Kleingläubiger, warum zweifelst du immer wieder... ?“ Ehrlich gesagt, ich schäme mich auch: soviel darf ich erleben und staune immer wieder und dann…? Was für ein Trost, dass auch Petrus diesen Tadel hören muss. (Und heute im Evangelium ja sogar: „du Satan“).

„Herr, Dein Wort ist Licht auf meinem Pfad…“

Dir, Euch allen, eine frohe Sommerzeit und offene Augen, Ohren und Herz, um „die - manchmal so unbegreiflichen - Fügungen im Leben “ als sein liebendes Geschenk wahrnehmen zu können.

 

Euer Christoph, der Augustiner (unterwegs in Italien)