Convento S. Agostino

P. Christoph Weberbauer OSA

PIAZZA S. AGOSTINO 10

I - 53037  S GIMIGNANO / SI

 

Tel.: 015152271362   – mail: christoph@augustiner.de





 

San Gimignano, 27.06.2015

Liebe augustinisch-unterwegs.de Freundinnen und Freunde und Interessierte!

Die letzten Gäste, die sich mit mir in San Gimignano zum Besuch abgesprochen hatten, sind gegangen und meine eigene Abreise steht vor der Türe. Deshalb will ich von Italien aus noch einmal gerne diese Form des allgemeinen Briefes wählen, mit der ich dankbarer Weise mit vielen Interessierten relativ unkompliziert kommunizieren konnte. Mir hat es sehr gut getan, auf diese Weise nie wirklich die weite Entfernung gespürt oder gar Einsamkeit oder Heimweh erlebt zu haben.

Noch bin ich sehr begeistert vom pfingstlichen Besuch in Deutschland mit der so anrührenden Hochzeit in Hammelburg und von dem letzten Kurs gleich danach hier in S Gi , „Yoga und augustinische Spiritualität“ gemeinsam mit Adelinde Scheithauer. Meine Stimmung beschreibe ich am liebsten damit, dass „meine Krüge gefüllt sind - bis zum Rand, und ich sie voller Dankbarkeit dem Herrn hin halte“. Ein gekonnt geschriebener Bericht und viele schöne Fotos erzählen von diesem Kurs auf unserer Homepage. Auch die - noch einmal von Grit übersetzte Abschiedspredigt - ist dort zu lesen, mit der ich meine Dankbarkeit vor Gott und zu meinen vielen Freundinnen und Freunden zum Ausdruck bringen wollte, die mich besonders in den letzten Jahren und eigentlich mein ganzes Leben lang begleitet und „getragen“ haben, und auch für die, die ich begleiten durfte. Am glücklichsten macht es mich, wie „zu Hause in Deutschland“ die sogenannte „siebte Gemeinde“ oder die „augustinisch-unterwegs-gemeinde“ lebendig weiter geblüht und – meiner Meinung nach – „Früchte getragen“ hat. Sehr, sehr viele haben dazu bei- und mitgetragen. Auch dafür sei Dank nach oben und nach allen Seiten. Dieses so beispielhafte Leben der Verbundenheit - in Christus - möge weiter blühen.

Und nun noch zu mir selbst:

Auf den letzten Brief hin (Februar 2015) wurde mir ein Zitat von Albert Einstein geschickt, das ich gerne noch anfüge: „Es gibt nur zwei Arten, sein Leben zu leben: Entweder so, als gäbe es keine Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.“

Rückblickend auf die knapp zwei Jahre in Italien kommt mir am häufigsten das Bild, dass ich noch einmal - und zwar jetzt zum dritten Mal - „Noviziat“ für mich gemacht habe. Das erste Noviziat war vor dem Eintritt ins Kloster bei den Augustinern, das für mich viel wichtigere aber war das zweite, als ich selbst Novizen begleiten musste oder durfte, und jetzt - in meinem Alter - vielleicht das heilsamste durch den weltweit verbreiteten Augustiner-Orden in Italien.

Mir fällt dazu plötzlich wieder der Aufenthalt von einer Nacht in der „Höhle Jesu“ bei Tabgha in Israel im Jahr 2012 ein. Im Grunde war nichts passiert und doch hat ER meine Sehnsucht vernommen. ER hat mich geführt, und mühsam lerne ich Seiner Hand zu vertrauen,auch wenn sich die Dinge heute nicht sofort und morgen nicht gleich wie von mir gewünscht klären. Ich sehe es immer wieder dankbar, dass ich ein Leben lang geführt worden bin: Angefangen von der Geburt am Tag der hl. Rita am 22. Mai bis hin zum Jahr der Versöhnung und Heilung dort in Cascia, wo ich in der Basilika dieser Heiligen beten, singen und sogar predigen durfte; vom Besuch des Augustinerklosters von S Gi mit P. Wilfried vor 40 Jahren bis hin zum jetzigen Aufenthalt, wo ich mit viel Lust und Freude Interessierten die Confessiones von Augustinus erläutern und damit auf die Fügungen („tutto bene!“) in jedem Leben hinweisen durfte.

Die fast 2 Jahre in Italien waren für mich auch eine „Art von Höhlenaufenthalt“, denn – auch wenn der Kontakt nach außen, zu den Lieben, sehr hilfreich war und viel für mich gebetet wurde – so fühlte ich mich doch manchmal auch allein unter den manchmal so furchtbar Dialekt sprechenden Gästen, wo ich nichts, aber auch gar nichts verstehen konnte und hilflos rum saß, oder wenn ich mich selbst nicht genug verständlich machen konnte, wo es doch so notwendig oder hilfreich gewesen wäre.

Noch eines will ich jetzt am Schluss „bekennen“ und damit auch „Gott lobpreisen“, wie es Augustinus grundsätzlich tut, wenn er in den „Confessiones“ von seinem Leben erzählt:

Seit vielen Jahren beobachte ich meinen starken Eigenwillen und meinen Ehrgeiz wohl wissend, dass das Wahrnehmen und Erkennen schon die größte Hilfe zur Veränderung ist, und begreifend,wie hilfreich mir doch auch beides im Leben gewesen ist. Denn, von beiden unterstützt, ist mir doch erstaunlich Vieles im Leben gelungen. In der Schule war ich nun mal sehr schlecht, in Kindheit und Jugend war ich „brav“ – oder deutlicher gesagt - linkisch und hilflos. Und doch habe ich mich dann - meiner Meinung nach - recht erfolgreich mit meinen Kräften eingesetzt: im Seminar von Münnerstadt und am Gymnasium, bei der Jugendarbeit im Landkreis Bad Kissingen,im Noviziat, in der Pfarrei St. Bruno in Würzburg und 20 Jahre in Messelhausen. Auch jetzt, hier in Italien beim Erlernen der Sprache, sind mir durch den Ehrgeiz Erfolge zugefallen, über die ich selbst staune. Aber wohl auch deshalb merke ich oft nicht, wie sehr er - zusammen mit dem Eigenwillen - mich in meiner wahren Entwicklung auch bremsen kann, vor allem jetzt zur Reife im Alter. Oft hatte ich viele Stunden am Tag nur Italienisch gelernt, Vokabeln wiederholt italienische Artikel und Bücher zu lesen versucht…
Jetzt endlich möchte ich meine heimische Sprache als Hilfe nutzen, um mehr noch in mein wahres Inneres zu finden. Ich will das Erlebte vertiefen, dass mir im Leben mehr geschenkt wurde und wird als ich selbst machen musste und muss, und dass ich wesentlich sinnvoller geführt wurde als ich für mich allein hätte meinen Weg finden können.

So werde ich also auch jetzt nach Fährbrück bei Bergtheim, in der Nähe von Würzburg, geführt, wo ich vor fast genau 60 Jahren als kleiner Schüler, dort im Internat, die zweite Klasse des Gymnasiums wiederholen durfte und damit die ersten augustinischen Schritte ertastete, weil ich vorher von den Marianhillern in Reimlingen als untauglich entlassen worden war; wohin ich schon einmal 1993 versetzt worden war, als ich dann aber in St. Bruno in Würzburg aushelfen und von da aus zwei Jahre später nach Messelhausen gehen sollte. In Fährbrück werde ich wieder auf Anton treffen, den viele von Messelhausen kennen. Ich werde wohl Marcellus als Prior ablösen, der -wie ich - bei den Marianhillern in Reimlingen seine priesterliche Laufbahn begonnen hatte und werde dort mit Ladislaus zusammen leben, der nach dem Krieg als Flüchtling in meinem Heimatdorf Biebelried wohnte, und dessen Schwester meine allererste Lehrerin in der Volksschule war :-))))

Ja, liebe Leserin, lieber Leser, ein bisschen möchte ich Dich tatsächlich mit-staunen lassen über ein paar wenige Fäden von den vielen, die ich sehe, wie sie meinen Lebensteppich weben. Aber viel mehr noch möchte ich Dich einladen, die Fäden Deines eigenen Lebens immer und immer wieder anzuschauen und dankbar darüber zu staunen. Dazu einzuladen ist – so glaube ich – der eigentliche Sinn meines Lebens geworden, und ich bin überzeugt, dass ich damit meinem Ordensvater Augustinus ein wenig nahe bin.

Liebe/r mit auf dem WegSeiende/r! Bis bald, wieder in Deutschland, vielleicht in Fährbrück oder wo auch immer! Die weithin sichtbare Balthasar Neumann - Kirche dort ist übrigens ein Marienwallfahrtsort. Deshalb wünsche ich mir und Dir, dass wir uns weiterhin an die Hand nehmen lassen von ihr, die „ganz leis’ mich beim Namen genannt“ und uns hinführen will zu IHM selbst.

Ich grüße Dich und Euch dankbar und herzlich ein letztes Mal aus Italien

euer Christoph, der  Augustiner (unterwegs bald wieder nach Deutschland)